Das Restless Genital Syndrom
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Das Restless Genital Syndrom

Ungewollte sexuelle Dauererregung, Blasendrang, Missempfindungen im Becken - und Beinbereich, so fühlt sich das Restless genital syndrom an. Zwar sind die Beschwerden sehr individuell, jedoch ist das beeinträchtigendste die ungewollte Dauererregung...
 
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 Wilhelm Reich und ReGS

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Aristocat
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Wilhelm Reich und ReGS Empty
BeitragThema: Wilhelm Reich und ReGS   Wilhelm Reich und ReGS EmptyFr 26 März - 15:39

Leider ist mir immer noch nicht die endgültige Hilfe bei ReGS begegnet, aber ich möchte trotzdem gerne hier noch einiges mitteilen. Schließlich kann es nicht schaden, noch weitere Aspekte zu diesem komplexen Syndrom mit in Betracht zu ziehen.

Ich habe bereits an anderer Stelle hier schon kurz über Wilhelm Reich geschrieben und möchte dies noch etwas ergänzen.
Wilhelm Reich (1897 – 1957) war Arzt und Psychiater und ein Schüler von Sigmund Freud. In späteren Jahren entzweiten sich die beiden jedoch, was soweit ging, dass Freud ihn aus der „Psychoanalytischen Vereinigung“ in Wien heraus warf; ich glaube, so kann man das bezeichnen. Reich ist einer der ersten Begründer der körperorientierten Therapie und hat damit Körpertherapeuten wie Fritz Perls und Stanislaf Grov den Weg geebnet.
Wie schon Freud hat er sich intensiv mit Sexualität befasst, den ihr zugrunde liegenden unbewussten Anteilen und später auch körperlich sichtbaren Symptomen.

Ich habe mich etwas mit seinem 1927 erschienenen Buch „Die Funktion des Orgasmus“ beschäftigt, es jedoch nicht ganz gelesen. Der Stil der Psychiatrie des beginnenden 20. Jahrhunderts ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Mir fielen jedoch einige Punkte auf, die im Zusammenhang mit ReGS mehr als interessant erscheinen.

Immer wieder steht zu Anfang eines jeden wissenschaftlichen Artikels zum ReGS einleitend der Satz, dass ReGS zum ersten Mal 2001 von Prof. Sandra Leiblum beschrieben wurde. Das ist insofern richtig, dass zum ersten Mal eine ausführliche Beschreibung des Syndroms erfolgte. Meiner Meinung nach hat es jedoch schon zuvor Beschreibungen gegeben, nämlich z.B. bei Wilhelm Reich. Leider ist ReGS jedoch vollkommen fehl interpretiert worden und trotz auffallender noch weiter gehender Begleitsymptomatik bei den Patientinnen kurz und bündig als Nymphomanie „diagnostiziert“ worden.

Ich bin heute sicher, würde man die alte Literatur, vor allem die der Psychoanalytiker Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, gut durcharbeiten, würde man immer wieder auf dieses Syndrom  stoßen, das fälschlicher Weise zur Nymphomanie erklärt wurde. Ich bin inzwischen ebenfalls sicher, dass RGS uralt ist, wahrscheinlich so alt wie die Menschheit, und dass es eine Reaktion auf Angst ist, welche zu einem großen Teil unbewusst verankert ist, sich aber auch im bewussten Zustand als Trauma, Panik und Depression darstellt. Angst ist die Basis aller in Erscheinung tretender Symptome.

Reich hat im Laufe seines Lebens herausgearbeitet, dass Angst und Lust, zu letzterer gehört auch die Sexualität, aber nicht alleine, die beiden Wege sind, die sich im Menschen über das Nervensystem muskulär zum Ausdruck bringen. Sie sind praktisch die beiden Seiten einer Medaille. Somit sind Angst und Sexualität zugleich auch eng miteinander verknüpft. Laut Reich geht die energetische Strömung bei Lust nach außen in die Peripherie des menschlichen Körpers, wo sie frei strömen kann und bei Angst nach innen in die Kontraktion und Starre. Angst kommt vom lateinischen „angus“ = eng. Die Enge bezeichnete Reich als „Charakterpanzerung“. Das ist keinesfalls als Bewertung gemeint, sondern als Zustand des energetischen Flusses im Menschen. Heute, da man mehr weiß, spielt in dem Zusammenhang der Kampf/Flucht Modus im Vegetativum eine große Rolle.

Wir werden uns wohl damit auseinander setzen müssen, dass Angst sexuelle Reaktionen hervorrufen kann. Das Gleiche gilt auch für die vielen Syndrome, bei denen die Sexualität vernichtet wird, und für die Betroffenen Sexualität praktisch nicht mehr existiert und auch nicht mehr gelebt werden kann. Warum das Nervensystem mal überreagiert und mal Sexualität völlig abschaltet müsste dringend erforscht werden, da beide Reaktionen auf lange Sicht nicht gelebt werden können.

Schauen wir jetzt wie Reich das meiner Meinung nach vorhandene ReGS Syndrom bei seinen Patientinnen beschreibt: Die Überschrift und die Unterüberschrift dieses Kapitels lauten:

„Die psychischen Störungen des Orgasmus“
„Die Sexualerregung bei der Nymphomanie.“

„Eine achtundzwanzigjährige Frau klagte über Schlaflosigkeit, ständige sexuelle Erregung und darüber, daß sie mit vielen Männern verkehren müsse. Beim Verkehr hat sie sehr intensive vaginale Sensationen und gelangt angeblich sogar mehrere Male zur „Befriedigung“. Nach dem Akte ist sie noch stärker erregt als vorher und kann nicht einschlafen. Genaue Befragung ergibt, daß sie das orgastische Sinken der Spannung nur äußerst selten erlebt, in diesem Falle aber nur einmal zur Akme gelangt.“
(Wilhelm Reich, „Die Funktion des Orgasmus“, Thomas de Munter, Amsterdam 1965, S. 50)

Viel mehr konnte Reich über die Frau nicht berichten, da er sie nicht weiter psychoanalytisch behandelt hat.

Die von mir fett unterlegten Angaben der Patientin deuten für mich eindeutig auf ein ReGS Syndrom hin, da die wenigen Sätze bereits die bekannten Hauptmerkmale des RGS enthalten.

Eine weitere als nymphomanisch „diagnostizierte“ Patientin äußerste sich folgender Maßen:

„Eine sechsundzwanzigjährige, ledige Patientin suchte das psychoanalytische Ambulatorium wegen fortwährender sexueller Erregung auf. Sie möchte befriedigt werden, empfinde aber beim Geschlechtsverkehr nichts, spüre nicht einmal das Eindringen des Gliedes. Sie liege „gespannt“ da und „höre“, ob die „Befriedigung kommt“. Bei der geringsten Körperbewegung verschwinde aber jedes auftretende Lustgefühl sofort. Sie leidet überdies an Schlaflosigkeit, Angstzuständen  und an abundanter Onanie."
(Wilhelm Reich, „Die Funktion des Orgasmus“, Thomas de Munter, Amsterdam 1965, S. 51)

Die weiteren Ausführungen zu dieser Analyse erspare ich den Leser-innen. Reich selbst konnte nicht unterscheiden, was, bei dem durch die Patientin in den Sitzungen Hervorgeholtem, Realität und was phantasiert war. Unserem heutigen Kenntnisstand zur sexuellen Gewalt nach, handelte es sich bei dieser Patientin um eine in Kindheit und Erwachsenenalter sexuell, physisch und psychisch schwer misshandelte junge Frau. Ein eindeutiger Beleg dafür ist, dass sie mit 12 Jahren eine Stellung annahm, in der sie von dem Dienstherrn sexuell misshandelt wurde. Von da an hatte sie drei Jahre keine Menstruation mehr, da sie in der tiefen Angst lebte, schwanger zu sein. Das war nicht phantasiert, sondern Realität. Das Ausbleiben der Menstruation ist ein Zeichen tiefster Angst, gar Verzweiflung. Als 12 jährige zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Schwangerschaft  befürchten zu müssen, ist per se eine Traumatisierung, ohne all das, was in der Patientengeschichte noch beschrieben wurde. Aber, vor rund 100 Jahren, nahm man ein derartiges menschliches Desaster zur Kenntnis, etikettierte es und versuchte auch noch psychoanalytisch „herauszuarbeiten“, was im Unterbewusstsein der Patientin so alles zu ihren jetztigen Beschwerden geführt hat. Das Opfer wurde zum eigenen Täter gemacht, wegen all seiner verborgenen, unbewussten Triebhaftigkeit. Es ist einfach nur abscheulich.

Beide Frauen beschrieben wichtige Zustände des Nervensystems – Schlaflosigkeit, Angst und mangelndes Absinken der Spannung nach einem Orgasmus – die typisch sind für ein ReGS Syndrom.  

In den Folgejahren des 20 Jahrhunderts forschte Reich zwar weiter, aber der Nationalsozialismus trieb ihn schließlich nach Amerika, wo seine Werke verbrannt wurden, und er schließlich im Gefängnis starb, weil er sich Anordnungen nicht beugen wollte.
Zugleich kamen in den 50/60ger Jahren die ersten Psychopharmaka auf den Markt, und die Psychiatrie glaubte, endlich DAS Heilmittel für „psychische Erkrankungen“ gefunden zu haben. Reich lebte nochmal bei der 68ger Generation auf, verschwand dann aber mehr oder weniger in der Versenkung.
In den 80/90ger Jahren begann man dann mehr und mehr von Depressionen, Angst und schließlich auch von Trauma zu sprechen. Die Wichtigkeit des vegetativen Nervensystems wurde immer klarer. Europäer und US Amerikaner schluckten also mehr und mehr die Pillen zur Regulierung ihrer Gemütszustände, und die Auflistung von „psychischen Erkrankungen“ nahm stetig zu. In dieser Zeit dürfte Prof. Leiblum ihre ersten Forschungen zum ReGS gemacht haben, die sie dann 2001 veröffentlichte. Ich vermute einmal, Betroffene können froh sein, dass dies von einer Frau erfolgte, da das damalige patriarchale Medizinsystem sonst weiterhin das Etikett der Nymphomanie über traumatisierte Frauen ausgegossen hätte.

Reich`s Patientinnen hatten keine Psychopharmaka genommen und litten trotzdem am ReGS, so meine Behauptung. Das würde die Hypothese unterstützen, dass ReGS auf Trauma und übergeordnet generell auf Angst beruht.  

Ernüchternd ist, dass wohl die Psychopharmaka, die die Angst und alle damit verbundenen Gemütszustände lindern sollen, diese über die menschliche Sexualität noch verstärken und ein neues Trauma initiieren. Somit dürfte die Zahl Betroffener zugenommen haben und das Syndrom langsam immer offener geworden sein.

Ich jedenfalls glaube nicht, dass Reich's Patientinnen alle Pudendus Neuralgien oder Tarlov Zysten hatten. Schaut man sich ihre Lebensgeschichten an, kann man als Frau froh sein, 100 Jahre später zu leben.

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